Der Altenpfleger – Tinder

Erinnert ihr euch noch an Frau Müllermeierschmidt und den Altenpfleger, in den ich damals so verknallt war? Frau Müllermeierschmidt lebt immer noch, sehr zum Leidwesen ihrer Mitbewohner. Denn obwohl sie mittlerweile stark auf die 90 zugeht hat sie noch ein außerordentliches Organ, von welchem sie immer dann Gebrauch macht, wenn sie gerade nicht schläft. Also quasi ständig, außer nachts. Oder zur Mittagszeit. Frau Müllermeierschmidt schreit und das sehr laut und sehr oft. Sehr oft. Durchgehend. Sie schreit um Hilfe, oder vielmehr um „Hielfäh!“ Wenn Fenster und Türen geschlossen sind, wird das „Hiel-“ verschluckt und man hört nur „-Fäh! –Fäh! –Fäh! –Fäh! –Fäh!“ Den ganzen Tag, es sei denn, sie schläft. Oder ich bin anwesend zur Therapie, bzw. war anwesend, denn die Therapie ist abgeschlossen.

Frau Müllermeierschmidt war ebenso verknallt in den Altenpfleger wie ich. In seiner Gegenwart war sie auch still. Der Mann tat ihr richtig gut. Leider hatte er im Altenheim gekündigt, (kann ich voll und ganz nachvollziehen; in diesem speziellen Heim möchte ich nicht tot überm Zaun hängen) seitdem hatten wir nur noch sporadisch Kontakt. Wozu auch? Mittlerweile hatte ich herausgefunden, dass er verheiratet und Vater war, außerdem war ich „glücklich“ mit dem Soldaten zusammen.

Ich hatte den Altenpfleger zwei Jahre nicht gesehen (krass, ist das lange her).  Da sah ich vor ein paar Wochen sein Bild bei Tinder. Ganz ehrlich, ich fand seine Bilder alle fürchterlich: Poserselfies (hatte der schon immer solche Segelohren?), oder eins ganz nachdenklich auf dem Sofa. Der Hintergrund  mit Blümchentapete. Die hatte sicherlich seine Frau ausgesucht. War seine Frau wohl noch aktuell? Der Altenpfleger selbst machte in den sozialen Netzwerken keine Angaben zu seinem Beziehungsstatus. Seine Frau hingegen, die – offensichtlich blond und naiv – alle Angaben öffentlich geschaltet hat, war immer noch verheiratet und hat Fotoalben wie „Mein Mann“,  „Unser Sohn“, „Hochzeit“, etc. in ihrem Profil. Also doch noch verheiratet. Und trotzdem tinderte er.

Abgesehen von den schrecklichen Fotos und der Tatsache, dass er verheiratet ist, hat der Altenpfleger doch tatsächlich beim Alter gemogelt und sich um etliche Jahre jünger gemacht. Ich konnte es nicht lassen und schrieb ihm eine Whatappnachricht mit Screenshot vom Tinder-Profil: „Beim Alter hast du aber gemogelt.“

Wir schrieben ein paar belanglose Nachrichten und er gestand mir sogar, dass er mich damals gemocht hatte. Darauf ging ich gar nicht erst ein und der Kontakt brach nach und nach ab.

Aber das ist eine Geschichte, die mich nachdenklich gemacht hat. Warum sucht Mann oder auch Frau so offensichtlich nach jemand anderem? Gerade bei Tinder kann man doch davon ausgehen, dass das irgendwann auffliegt.

Vor einiger Zeit unterhielt ich  mich mit einem Freund über das Thema. Dieser Freund ist verheiratet, hat Haus und Kinder. Er gestand mir, dass er sowas voll und ganz nachvollziehen könne. Seine Ehe bestehe auch nur noch auf dem Papier und er sei nur noch wegen der Kinder mit seiner Frau zusammen (DAS wollte ich nun wirklich nicht wissen).  Sie würden sich zwar nicht streiten, aber Liebe sei es auch nicht mehr. Man lebe zwar noch zusammen unter einem Dach, aber irgendwie aneinander vorbei.

Ich kann mir sogar vorstellen, dass dieser Freund von mir nicht glücklich mit der Situation ist und sich nach Liebe sehnt. Und vielleicht ist die Situation beim Altenpfleger eine ähnliche. Aber mal angenommen der Altenpfleger oder von mir aus auch mein Bekannter findet jemand, eine Frau, mit der er wieder glücklich sein kann. Würde Mann sich dann von seiner Ehefrau trennen? Trotz Kinder? Irgendwie glaube ich nicht daran. Das ist doch für alle Beteiligten eine blöde Situation.

Ich fürchte, ich kann mich in diese Situation nicht hineinversetzen. Das will ich auch gar nicht, denn es macht gerade meine heile Welt kaputt, die Welt mit rosa Puderzucker und so.

16 Kommentare zu „Der Altenpfleger – Tinder

  1. Ich kann schon verstehen, dass man manchmal ausbrechen möchte. Früher oder später entwickeln sich die Dinge langsamer in festen Beziehungen, und da kann durchaus Langeweile aufkommen, selbst wenn es gut läuft.

    Andererseits habe ich die Erfahrung gemacht, dass ich in meinen wilden Single-Zeiten oft einsam war, mich nach einem Vertrauten sehnte, wie ich ihn heute habe. Ich ganz persönlich glaube, dass wir immer das hypen, was wir gerade nicht haben, und kaum realisieren, was wir im Zuge dessen nicht haben/hatten.

    Ausbrechen in der Phantasie verletzt weit weniger Leute und fliegt selten auf. Aber ich fürchte, das ist vielen nicht genug (mir schon).

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    1. „Das Gras auf der anderen Seite des Zauns ist immer am grünsten.“
      Ich kann mir schon vorstellen, dass man ausbrechen möchten. Aber öffentlich und offensichtlich auf Tinder suchen ist arg plump.

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  2. Ich kann’s zum Teil nachvollziehen. Gegen Ende meiner Ehe war mein Kopf voll mit Ausflüchtungsfantasien. Je länger die negative Situation anhielt, desto mehr wurden sie und somit auch intensiver, dass man irgendwann das Gefühl hatte, man könnte es nicht mehr verhindern, wenn sich eine Situation ergäbe. Für die Offensive Suche muss man m.E. aber der Typ sein. Mir war immer klar, dass ich nie fremd gehen wollen würde und meinen Partner verlassen würde, sobald ich merkte, ich könne nicht mehr für Treue garantieren, was ich dann ja auch getan hab. Eine Ehe zu beenden zieht jedoch so viel Ärger und Stress mit sich, dass ich zumindest nachvollziehen kann, wenn man das (auch aufgrund der Kinder) erstmal nicht tun will und dann eben auf eine solche Weise einen Ausweg sucht, der es einem vielleicht leichter macht oder einfach nur die Fantasie ein wenig erweitert. Ich persönlich finde das ebenfalls moralisch verwerflich und bin eher der Typ, Augen zu und durch, als „feige“ in der Situation zu bleiben und zu tindern. Aber das ist ja eine Sache der persönlichen Einstellung. Zumindest reinversetzen kann ich mich in solche Leute seitdem.

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  3. Treue ist ein Entschluss der rational entschieden werden muss. Das hat Vorallem etwas mit Loyalität zu tun und Respekt. Liebe verändert sich mit den Jahren und manche kommen damit nicht so gut klar oder verändern sich nicht mit. Solche Beziehungen scheitern. Der spruch: wir lieben uns wie am ersten Tag ist Blödsinn. Bzw. Wäre tragisch, wenn es so wäre, weil das heißt, es hätte keine Entwicklung zwischen den beiden Menschen gegeben. Jedenfalls… Muss man an einer Beziehung mitarbeiten. Miteinander. Beide zusammen. Einer allein, das funktioniert nicht und letztlich scheitern viele genau da dran. Ich persönlich bin nach 16 Jahren Beziehung immer noch zufrieden. Es ist nicht mehr so wie zu Anfang. Es ist anders. Es ist gut so. Und fremdgehen, auch wenn es zwischenzeitlich mal öde war wäre weder meinem Mann noch mir je eingefallen.

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  4. Super beschrieben! Muß deine Texte immer lesen. Zu handeln und auszubrechen aus festen, gewohnten Strukturen ist immer schwer. Man schiebt vor, daß es zum Wohl der Kinder ist. Ich glaube, daß Viele dann doch irgendwann ausbrechen werden. Meistens in der Midlife Krise. Das kommt dann oft für den Partner überraschend. Wäre ehrlicher gewesen, es vorher schon mal anzusprechen und Konsequenzen zu ziehen. Wir nehmen uns selbst und unser eigenes Glück leider oft nicht wichtig genug, um etwas dafür zu riskieren.
    Bin aber davon überzeugt, daß wenn meinen seinen richtigen Partner gefunden hat, jegliche Probleme zu meistern sind und daß der Respekt voreinander groß genug ist, um nicht 30 Jahre unglücklich nebeneinander her zu leben.
    Liebe Grüße,
    Olivia

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      1. Weil man in existenziellen Grundlagen aufeinander angewiesen war. (Und auch heute noch „bestehen“ Ehen, weil man zusammen ein Haus gekauft hat, und sich dafür verschuldet hat. Eine Trennung kann sich nicht jeder „leisten“.)
        Weil man aus moralischen Gründen, die von außen verordnet wurden, keine Alternative hatte. Wenn du heute beschließt, dich von deinem Partner zu trennen, hat das kaum konkrete Auswirkungen auf deine gesellschaftliche Stellung, und deine damit verbundenen Möglichkeiten. Im „goldenen Früher“ blieb viel an dir kleben. Fremde Moral, sozialer Abstieg. Knallhart.

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  5. Mich wundert auch, dass er so öffentlich nach einer Frau sucht. Ist ziemlich dreist, denke ich!
    Früher war die Suche nach einer Affäre nicht so einfach. Ohne Internet musstest Du dafür schon in Kur oder nach Malle fahren. Mit Internet wurde die Suche immer einfacher und jetzt mit Apps, wie Tinder und Co ist es schon fast ein Spiel mal eben nach Sex zu suchen.
    Die Entwicklung ist für feste Partnerschaften nicht gut.
    Wenn ich jetzt Anfang zwanzig wäre und irgendwann heiraten täte, dann würde ich nach spätestens 5 Jahren Ehe regelmäßig mal diese Apps durchforsten um zu gucken ob mein Partner da nicht gerade am „Zocken“ ist. 😉

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    1. Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser? ! Vielleicht nicht die beste Einstellung, wenn man eine Beziehung eingeht. Aber wenn die Anzeichen da sind, dass etwas schief läuft, sollte man dem nachgehen

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    1. Bedankt voor je commentaaar. Ik moest ff kijken wat ik toen had geschreven 😉 Praten vind ik erg belangrijk in elke relatie. Maar vaak gebeurt het niet. Jammer.
      Gelukkig nieuwjaar!

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