Streit

Wir haben uns gestritten.

Es begann damit, dass wir von seinem Auto zu meiner Wohnung liefen und er mehr nebenbei erwähnte, dass er gefragt worden sei, ob er neuerdings in der Somistraße wohnen würde, sein Auto stünde dort ständig.

Ich fragte nach: „Wer hat das denn gefragt?“ – „Sag ich nicht.“ Äh, okay?! Mehr kam nicht von ihm und somit konnte ich mir denken, wer das gefragt hatte. Bei der Antwort konnte das nur sie gewesen sein. Ich akzeptierte seine Antwort schulterzuckend. Es war okay für mich, dass die beiden noch Kontakt hatten, redete ich mir ein. Warum auch nicht? Wahrscheinlich hatte sie ihn einfach nur angeschrieben und nachgefragt, warum sollte er dann nicht antworten?!

Natürlich machte ich mir was vor. Das war nicht okay für mich. Wenn er Kontakt zu ihr hatte – warum auch immer – dann sollte er das auch erzählen. Oder komplett für sich behalten. Aber Andeutungen machen und dann doch nichts zu erzählen, das ging echt nicht. Auch wenn ich es nicht zugeben wollte, mich wurmte das ganz schön. Nicht, dass ich ihn das bewusst spüren ließ. Dennoch merkte er, dass was nicht in Ordnung war. „Alles gut bei dir?“ – „Ja.“ (Haha…) – „Sicher?!“ – „Nein… ich kann mir schon denken, zu wem du noch Kontakt hast…“

Er reagierte genervt. „Maaaaan, das war der Michael XY, der ist mit einer da aus der Clique verheiratet. Der meldet sich noch hin und wieder bei mir.“ Damit war die Sache für mich gegessen. War es wirklich. Aber für ihn nicht, das spürte ich, auch wenn er nichts sagte. Oder gerade deswegen.

Wir schauten einen Film und er war schweigsamer als sonst. Als der Film zu Ende war, fragte ich, ob alles okay sei. „Ja“, kam die einsilbige Antwort. Schulterzuckend verschwand ich im Bad, doch als ich zurück in mein Wohnzimmer kam, sah ich, dass er seine Tasche gepackt und die Schuhe angezogen hatte. Eigentlich hatte er über Nacht bleiben wollen.

„Also ist nicht alles in Ordnung“, stellte ich fest. Er strich sich mit beiden Händen durchs Gesicht und sagte: „Du hast ja mal gar kein Vertrauen in mich.“ Er wirkte verletzt und nachdenklich. Aber verletzt war ich jetzt auch. Ich ließ mich auf die andere Seite des Sofas fallen. „Das wundert dich? Bei unserer Vorgeschichte?! Und dann machst du so blöde Andeutungen ‚Sag ich nicht‘. Was soll ich denn dann denken?“ Er sah mich nicht an, starrte auf seine Fußspitzen. Und er schwieg. „Verstehst du was ich meine? Es ist okay für mich, wenn du noch Kontakt zu denen hast. Aber dann steh doch dazu! Oder sag halt gar nichts. Aber mit ‚Sag ich nicht‘ sagst du doch selbst, dass du was verheimlichst… Verstehst du mich?“ Ein Schulterzucken war die Antwort, Schweigen. Und schließlich: „Ach, ich weiß selbst nicht, was ich mir dabei gedacht habe.“

Er schaute mich immer noch nicht an. „Und jetzt?“, fragte ich, doch mehr als ein weiteres ratloses Schulterzucken bekam ich nicht zur Antwort. Ich merkte, dass er nicht auf mich zukommen würde. Nicht auf mich zukommen konnte. Alles widerstrebte mir, dennoch rutschte ich an ihn heran und legte meine Arme um ihn. Sein Kopf machte eine Vierteldrehung in meine Richtung. „Und jetzt?“, wiederholte ich. „Ich weiß nicht“, sagte er. „Ich denke, dass ich nach Hause fahre und in Ruhe darüber nachdenke.“ Ich ließ ihn los, sein Kopf machte eine Vierteldrehung von mir weg. Nein, wenn er jetzt fuhr, dann war’s das. Dann würde ich ihm am nächsten Tag nicht mehr unbefangen gegenübertreten können. Dann würde es noch schwieriger werden. Also schluckte ich all meinen Stolz herunter und bat ihn, bewusst mit schwacher Stimme: „Kannst du mich bitte in den Arm nehmen?“ Baaah, ich verachte mich selbst für so viel Kalkül, aber es funktionierte. Er schlang seine Arme um mich und drückte mich fest an sich. Mit der gleichen jämmerlichen Stimme fragte ich ihn: „Bleibst du bitte hier?“ Und er blieb.

Als wir im Bett lagen, das Licht ausgeschaltet, konnten wir noch mal frei über alles sprechen. Und als alles geklärt war, kamen mir die Tränen. Diesmal echt und ohne Kalkül. Er nahm mich in den Arm und hielt mich, bis ich eingeschlafen war.

18 Kommentare zu „Streit

  1. Liebe Somi,

    ohne Streit gibt es keine Harmonie, vergiss das nie. Streitereien und Auseinandersetzugen gehören zu einer funktionierenden Beziehung dazu, und schweißen die Partner noch mehr zusammen. Wie heißt es so schön: … in guten und in schlechten Zeiten! Ist so.
    Und noch etwas: Schwäche zu zeigen ist nach meinem Empfinden eine Stärke. Du bist mehrfach auf deinen verstockten Partner zugegangen und hast ihm so ermöglicht, „sein Gesicht zu wahren“, so dass er sich dir wieder nähern konnte. Das finde ich stark. Gut gemacht.

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  2. Also Streit würde ich jetzt nicht dazu sagen. Eher auf unbedachte Aussage aufgestautes Unwohlsein. Das am Ende auf beiden Seiten herrschte.
    Die Umarmung fand ich toll, auch wenn der Schritt zielorientiert für dich war. Schön das ihr euch dann richtig offen und ehrlich aussprechen konntet.

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  3. Hi,
    in einer neuen Beziehung gibt es auf vielen verschiedenen Ebenen „ein erstes Mal“ 😉
    Nun kannst du die „erste Konfrontation“ schon mal abhaken.
    Und die „erste Versöhnung“ ebenfalls. 😊
    Keine Angst. Die Liebe ist eine lebendige Reise. Lass dir von „alten Geschichten/Erinnerungen“ nicht reingrätschen. Erschafft euer eigenes Ding
    mit einem individuellen, gemeinsamen Ziel. 🌈
    Wünsche euch weiterhin gutes Unterwegssein.
    LG
    G.

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