Challenge Somi

Challenge Roth – das ist der weltweit größte Wettkampf auf der Langdistanz im Triathlon. Roth, ein kleiner Ort in Bayern, wo sich die Besten der Besten des Triathlons treffen, wo Anne Haug und Jan Frodeno an den Start gehen, wo die Gefühle überkochen. Und die kleine Somi mittendrin. Schwimmen kann sie zwar (fast) nicht und mit ihrem Hollandrad hat sie dort auch keine Schnitte, aber das Laufen klappt ganz passabel, daher ist sie die optimale Teilnehmerin für eine Triathlon-Staffel. Ein Wochenende voller Spannung und Emotionen, mit Freunden und anderen Sportlern – ach, es hätte so schön sein können.

Hätte, hätte, Fahrradkette. Genug geschwafelt, die Challenge Roth wurde abgesagt, also habe ich mein eigenes Ding gemacht. Wer 35km im Training läuft, kann auch 42,195km im Training laufen. Sind doch nur 7km mehr. Und ohne Wettkampfatmosphäre muss ich auch kein Wettkampftempo laufen, also schön entspannt nach Puls das Ganze. So der Plan. Trotzdem war ich nervös. Unfassbar! Mein Wettkampf, meine Regeln und dennoch nervös. Dabei hatte ich alles perfekt geplant. In meinem Trinkrucksack hatte ich Platz für 1l Wasser und einige Gels. Der Orthopäde würde mich auf dem Rad begleiten und weitere Verpflegung transportieren. Außerdem sollten mich Freunde begleiten und motivieren. Die Strecke hatte ich schon Tage vorher geplant und dem Orthopäden zugeschickt, damit er mich navigieren konnte.

Habe ich schon erwähnt, dass ich trotzdem nervös war?

Von meinen obligatorischen zwei Brötchen, die ich vor jedem langen Lauf aß, hatte ich nur anderthalb herunter bekommen. Der Orthopäde amüsierte sich köstlich über meine Nervosität, hatte ich doch zuvor immer wieder betont, dass es doch nur ein Trainingslauf war. Pünktlich um 8.00 Uhr waren meine Laufschuhe geschnürt, das Mountainbike vom Orthopäden gesattelt und meine beiden Hasen standen ebenfalls an der imaginären Startlinie. Hase 1 war der Mann einer Freundin, der mich damals zu meinem ersten Marathon überredet hatte. Hase 2 war dessen Bruder, der einfach ein Lauftalent ist und einen Marathon unter drei Stunden laufen kann. Aber um das Tempo ging es mir gar nicht, nur um die Unterhaltung und Motivation. Geplant war, dass Hase 1 nach 15km ausstieg. Hase 2 wollte mal schauen, wie es lief und sich irgendwann s abholen lassen.  Zunächst ging es ganz entspannt los, für die ersten drei Kilometer benötigten wir fast 20min. Aber nach und nach wurden wir schneller, dennoch blieb meine Herzfrequenz im grünen Bereich. Wir plauderten, der Orthopäde fuhr mal mit dem Rad vor und machte Fotos – es war ein entspannter Lauf. Nach ca. 12km stießen die Frau von Hase 2 und ein Freund mit Fahrrädern und Kindern im Anhänger dazu. Noch mehr Unterhaltung – perfekt! Kilometer 15 und Hase 1 stieg nicht aus. Er wollte den Halbmarathon noch vollmachen. Hier unterschritten wir auch das erste Mal die Pace von 6:00min/km. Dann war der Halbmarathon geschafft, Hase 1 verließ uns jedoch erst zwei Kilometer später, ebenso die Radfahrer. Hase 2 entschied sich spontan, mich bis nach Hause zu begleiten… ja, richtig gelesen: der lief mal eben spontan einen Marathon!

Mittlerweile hatte der Wind zugenommen. Abgesehen davon war es perfektes Laufwetter: 16°C, trocken und überwiegend bewölkt. Doch der Wind kam plötzlich von vorne. Was war ich froh, dass wir ein Stück Wald vor uns hatten. Sowohl der Orthopäde wie auch Hase 2 boten mir ihren Windschatten an, aber ich laufe äußerst ungern anderen hinterher 😉 das hat nicht nur psychologische Gründe. Ich muss mich dabei zu sehr konzentrieren, meinem Vordermann nicht zu nah zu kommen und ihm in die Fersen zu treten. Mit Gegenwind ging auch mein Puls hoch. Oder lag das eher am steigenden Tempo? Wohl eher, aber meine Beine wollten es so. Die weiteren Kilometer lagen meist deutlich unter 6min/km und es fühlte sich gut an.

Kilometer 30: wir hatten die Richtung gewechselt und der Wind kam nun von der Seite. Der Orthopäde fuhr dicht neben mir und gab mir Windschatten. Das war okay so. Über sein Handy hörten wir Musik, AC/DC, genau das richtige. Bei Kilometer 36 schoss mein Puls auf über 170 hoch, mich überfuhren kalte Schauer und das Blut rauschte in meinen Ohren. Stopp! Ich brauchte eine Gehpause. Die Jungs motivierten mich: „Hey, das ist nur der Wind, der in deinen Ohren rauscht. Alles Kopfsache!“. Nein, nichts ging mehr. (Nicht, dass ich den Orthopäden noch gegen einen Kardiologen eintauschen musste!) Ich brauchte die Pause. Und ganz dreist stellte ich meine Uhr auch auf Pause. Die kleine Mogelei gönnte ich mir. Mein Wettkampf, meine Regeln. Ich nuckelte in Ruhe an meinem Trinkschlauch, drückte mir ein Kohlenhydratgel rein (das zweite an diesem Tag) und nach knappen 3min ging es erfrischt weiter.

Tatsächlich konnte ich das alte Tempo wieder aufnehmen. Die letzten 6km waren jetzt wirklich nur noch Kopfsache. Ich sagte nicht mehr viel, ließ mich von den Gesprächen der beiden Männer einlullen. Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass mein Puls wieder halbwegs im grünen Bereich war und das meine Durchschnittsgeschwindigkeit bei 6:01min/km lag. Diese sch*** :01 musste ich eliminieren. Also zog ich das Tempo an. Das ging noch richtig gut. Zum Schluss zählten wir die Meter laut runter: noch 1km…noch 800m…noch 500m…noch 200m…der Orthopäde fuhr vor um das Zielfoto zu schießen…noch 100m… geschafft: nach 4:13:45 Stunden hatte ich die Challenge Sonja absolviert.

Die :01 habe ich übrigens nicht rauslaufen können…

Und wer mich jetzt für total verrückt hält: zwei Laufkolleginnen sind ebenfalls ihren eigenen Marathon gelaufen, jeweils in persönlicher Bestzeit. Und ein weiterer Vereinskollege hat mal eben die komplette Challenge gemeistert: morgens um 5.00Uhr ist der in den See gesprungen um seine 3,8km zu schwimmen, dann 180km auf dem Rad (schlecht geplant, daraus wurden 190km) und dann der Marathon! Dazu muss  man sich mal motivieren können…

 

Wat’n geiles Hobby!

51 Kommentare zu „Challenge Somi

  1. Die Sache mit der einen Sekunde hatte ich neulich auch und es hat mich ebenso gewurmt. Spannend ist dabei, dass ich bei zehn Sekunden wohl einfach mit der Schulter gezuckt hätte 😅

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      1. Vollkommen. Ich hatte dann gerechnet, wie viel schneller ich laufen müsste, damit es doch noch passt. Dabei wollte ich mich eher schonen.

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  2. Beim nächsten Mal läuft der Standesbeamte mit – hätte doch was, so eine Marathontrauung. 🙂

    “ nur der Wind, der in deinen Ohren rauscht“ ? Entweder sollte das eine witzige Motivationspumpe sein (die aber echt dämlich wäre) oder die laufen wirklich so locker, dass sie das selbst glauben.Auf jeden Fall etwas unverantwortlich.
    Gut, dass Du die Gehpause eingelegt hast (wenn auch mit Zeitschinden 🙂 )
    Selbst 4:16 wären doch eine prima Zeit in der heutigen Zeit und offenbar für den ersten run gewesen. Läufst Du beim nächsten Mal genau die gleiche Strecke?

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      1. Doch, aber nicht mehr die gesamte Strecke 😉
        Zunächst werde ich mich aber auf kurze Tempoläufe konzentrieren. Hab da noch ne Rechnung mit den 10km offen.

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  3. Respekt, über 4h „ohne Grund“ (=Wettkampf) laufen ist schon knackig.
    Ich hoffe immer noch, dass der Königsforst Marathon in Köln im Oktober stattfindet und meine Achilles-Sehne bald Ruhe gibt.

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  4. Schön wenn’s Dir Spaß macht. Ich kann dagegen nur verständnislos mit dem Kopf schütteln. Aber ich bin auch bekennender Sportmuffel und Nicht-Sportler. Also „geiles Hobby“ – um Gottes willen, nein 😉

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  5. Wer sich so motivieren kann, super. Bloss nie jemanden hinterher laufen. Das verbildet – ein Sieger oder auch ein Alpha geht immer voran (lach). Weiterhin viel Erfolg solange der Körper mitmacht.

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  6. Sehr stark, wenn ich bedenke wie es dir im letzten Jahr ging!
    Mit einem M kann ich nicht mithalten, aber wenigstens war es ein virtueller Halber, der reale fiel eben auch dem Virus 🦠 zum Opfer.
    Regentropfengeprasselte Grüße!

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      1. Ich hatte 5 Läufe bis September geplant, die sind alle ausgefallen. Im Oktober hatte ich mit dem Frankfurt Marathon geliebäugelt, aber nicht angemeldet. Mein Trainingszustand lässt das aber auch nicht mehr zu, der Halbe war bereits eine Zumutung für Körper und Geist… Die kleinen Winterläufe sind hier wohl noch in Vorbereitung, die Konzepte werden diskutiert, vielleicht also ein oder zwei 10er. Allerdings gibt es es für meine ‚Klassiker‘ von Oktober bis Januar noch keinerlei Bestätigung. Aber ich bleib dran…
        Keep on running!

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      1. So ganz habe ich keine Erklärung. Bisschen Coronaspeck und die Lunge ist gefühlt einfach nicht mehr so leistungsfähig. Bin aber im Dezember noch einen gemütlichen Halbmarathon gelaufen. Jetzt kämpfe ich schon bei fünf Kilometern 😦 Lungenfunktion (muss ich wegen COPD häufiger machen) war neulich aber ok…

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